Michael Landmann – Israel und Palästina. Die Flüchtlinge * Leseprobe aus: ders., Das Israelpseudos der Pseudolinken

Israel und Palästina. Die Flüchtlinge

Michael Landmann

a.) Das Recht der Juden auf das Land.

Die Juden bewohnten Palästina – lange vor den Arabern – von Josua (ca. 1350 v. Chr.) bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels 70 n. Chr., als eine imperialistische Macht, Rom, ihnen die staatliche Unabhängigkeit raubte. Aber auch dann noch lebten in ungebrochener Folge Juden im Lande, wenn auch durch Römer und Byzantiner unterdrückt, durch Kreuzfahrer blutig dezimiert und durch die Ottomanen schlecht behandelt. Jerusalem hatte fast immer eine jüdische Bevölkerungsmehrheit. Die Juden in der Diaspora neigten sich täglich im Gebet in die Richtung nach ihrer alten Heimat und hofften zu Pessach: nächstes Jahr in Jerusalem. Der Glaube an einen kommenden Messias schloß jetzt ein, daß er die Zerstreuten zurückbringen werde. Viele Fromme wanderten am Ende ihres Lebens nach Palästina, um dort zu sterben, manche aber lebten lange dort und hatten auch Kinder.

Zu Palästina als geographischem Begriff gehört auch Transjordanien, das erst 1918 durch eine Verordnung Churchills vom übrigen Land getrennt wurde. Westpalästina umfaßte damit nur ein Viertel des historischen Gebietes. Dann wurde auch Westpalästina durch die UNO-Entscheidung von 1947 geteilt, die zwei unabhängige Staaten, einen arabischen und einen jüdischen, vorsah. Der arabische kam nicht zustande, wohl dagegen annektierten Jordanien – das bis dahin noch Transjordanien hieß – und Ägypten 1948 eigenmächtig die diesem zugedachten Territorien: die Westbank, Altjerusalem und den Gazastreifen, ein Schritt, der von der UNO niemals sanktioniert und auch von den anderen arabischen Ländern nicht offiziell gebilligt wurde. Der Staat Israel nimmt damit nur ein Fünftel des ganzen historischen Palästina ein.

Vierzehn arabische Staaten dehnen sich über Gebiete von insgesamt elf Millionen Quadratkilometern aus. Das ist eine Fläche, die um eine Million Quadratkilometer größer ist als ganz Europa, die europäische Sowjetunion miteingeschlossen. Der Staat Israel war bis zum Sechstagekrieg 27.000 Quadratkilometer groß. Das sind zwei Tausendstel des enormen arabischen Raumes. Es bleiben immer noch 99,80 Prozent aller arabischen Gebiete in arabischem Besitz, von denen der größte Teil unbebaut ist.

Die gängige Mythologie ist, Israel sei auf dem Boden eines arabischen Staates durch dessen gewaltsame Teilung entstanden. Aber nie gab es einen palästinensischen arabischen Staat. Palästina war, als die zionistische Besiedlung begann, eine Provinz des ottomanischen Reiches. Das bebaute Land wurde rechtlich erworben. Es war zum großen Teil türkisches Kronland, aus dem damals siebzig Prozent des Territoriums bestanden. Die arabisch-Deutschersche Behauptung, die Araber seien ausersehen worden, den Preis für die Verbrechen Europas an den Juden zu bezahlen, löst sich im Licht der Geschichte in ein Gespinst auf.

Daß die Landkäufe zwar legal vor sich gingen, es dabei aber zu Härten kam, ist oft beschrieben worden. Es kam vor, daß Feudalherren, um an die Juden verkaufen zu können, auf dem Land ansässige Fellachen verjagten. Obgleich die jüdische Besiedlung Palästinas objektiv das Gegenteil von Kolonialismus war, konnte sie psychologisch – schon einmal hatten wir dies beides zu unterscheiden – von solchen Fellachen als kolonialistisch empfunden werden. Denn zunächst verloren sie ihre Wohnsitze und ihre Arbeit. Hier gibt es nichts zu beschönigen, aber auch nichts zu beschuldigen. Man müßte sonst jeden geschichtlichen Wandel, dem gewachsene Strukturen zum Opfer fallen, verwerfen. Mildernd war immerhin, daß die jüdische Aufbauarbeit alsbald auch für die arabische Bevölkerung neue, oft bessere und freiere Lebensmöglichkeiten schuf.

Niemand wurde bis 1948 verdrängt. Palästina war unterbevölkert. Neben Juden und Drusen – nie war es rein arabisch – lebten in ihm um 1870/80 200.000 bis 250.000 seßhafte Araber. Dazu kam etwa dieselbe Zahl von Nomaden. 1923 erhielten die Engländer vom Völkerbund das Mandat, die Errichtung eines jüdischen Nationalheims in Palästina zu erleichtern. Schon nach weniger als einem Jahrzehnt aber restringierten sie die jüdische Einwanderung, während sie umgekehrt der Einwanderung aus den umliegenden Ländern keinerlei Beschränkung auferlegten. Angezogen vom wirtschaftlichen Fortschritt, den die frühen jüdischen Pioniere ins Land gebracht hatten, strömten aus Syrien, Saudi-Arabien, Transjordanien und dem Libanon Araber herbei. Zwischen 1923 und 1948 verdoppelte sich die arabische Bevölkerung. Wenn den Israelis vorgeworfen wird, sie seien erst in jüngster Zeit von außen ins Land gekommen, so ist dem entgegenzuhalten, daß dasselbe auch für fast die Hälfte der Palästinenser gilt.

Ziel des Zionismus war eine öffentlich-rechtliche gesicherte Heimstätte für das jüdische Volk, die Schutz gegen Erniedrigung, Verfolgung und Dezimierung gewähren sollte. Einen “Judenstaat” hat Theodor Herzl zunächst postuliert, kam aber selbst in Altneuland wieder davon ab: “Wir sind kein Staat, wir sind eine große Genossenschaft.” Auch nach dem Untergang des osmanischen Reiches dachten Einwanderer und Politiker bis 1933 nicht an einen eigenen Staat. Die nachdrückliche Forderung nach ihm entstand erst in der Opposition gegen die britische Einwanderungspolitik, die trotz der Verfolgung der europäischen Juden durch Hitler zunehmend restriktiver wurde. Während die jüdische Linke den alten Gedanken (Hans Kohns, Ben-Gavriêls u. a.) eines bionationalen Staates mit den Arabern propagierte, [ 1 ] ergab sich die Notwendigkeit, Westpalästina zu teilen und einen rein jüdischen Staat nur mit arabischer Minorität zu errichten, erst aus der Weigerung der Araber, sich mit den Juden zu einigen.

Am 14. Mai 1947 gab Außenminister Gromyko vor der UNO die “Sowjetische Balfour-Deklaration” ab: “Die Tatsache, daß kein einziger westeuropäischer Staat in der Lage gewesen ist, die elementaren Rechte des jüdischen Volkes zu verteidigen, erklärt die Aspirationen der Juden auf einen eigenen Staat. Es würde ungerecht sein, dem jüdischen Volk das Recht zu bestreiten, diese Aspiration zu verwirklichen.” Am 29. November 1947 beschloß die Generalversammlung der UNO mit Unterstützung Rußlands und der USA die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Als einziges internationales Forum war sie zu diesem Entscheid berechtigt, der nicht irgendwelchen imperialistischen oder kolonialistischen Hintergedanken entsprang, sondern schlicht der Bemühung, zwischen konkurrierenden Ansprüchen gerecht zu vermitteln. Die Jewish Agency nahm den Kompromiß an. Dagegen kündete die Arabische Liga schon am 30. November die Okkupation Palästinas an, um die Errichtung eines jüdischen Staates zu verhindern. Am 15. Mai 1948 drangen die regulären Kräfte der arabischen Staaten in den soeben gegründeten Staat Israel ein. Die Verantwortung für die Eröffnung der Feindseligkeiten ist von ihnen nie bestritten worden. Hinter ihnen freilich stand England, das den UNO-Entscheid boykottierte, sie in den von progressiven Arabern abgelehnten schmutzigen Krieg hineintrieb und sie bewaffnete, während die Tschechoslowakei Israel Waffen lieferte.

Daß es nicht zur Entstehung eines palästinensischen arabischen Staates gemäß dem UNO-Beschluß von 1947 kam, ist nicht die Schuld von Israel. Die Araber selbst waren es, die Falestin verhinderten. Auch nach der Niederlage hintertrieben die arabischen Staaten das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und eigene Regierung. Sie verhinderten eine palästinensische Delegation, mit Israel zu verhandeln. Sie behielten die den Palästinensern zugesprochenen Gebiete lieber für sich selbst.

Nicht nur Israel hat den Arabern Unrecht zugefügt, sondern sie selbst haben eine Katastrophenpolitik betrieben. Nehmen wir aber selb st an, es läge ein rein israelisches Unrecht vor: so kann es nicht durch ein zweites Unrecht beseitigt werden. Es ist ein Unrecht, daß heute in vielen nichteuropäischen Ländern ehemalige Europäer leben: aber befürwortet deswegen jemand ihre De-Europäisierung, so wie die Araber die De-Zionisierung Palästinas? Sie haben sich heute im Ton gemäßigt und sprechen nicht mehr, wie noch vor kurzem, davon, sie wollten die Juden ins Meer treiben. Die Palästinenser bieten den Juden an, in einem arabischen Palästina als religiöse Minderheit zu leben. Allein, einmal ist die Aussicht, Minderheit in einem arabischen Land zu sein, nach allen Vorgängen wenig attraktiv. Jüngste Bestätigung: die Enteignung der Italiener in Libyen 1970. Zweitens haben die Juden, wie jedes Volk, Anspruch nicht nur auf freie Ausübung ihrer Religion, sondern auf die Gestaltung einer eigenen nationalen Lebensform. Drittens soll gemäß dem PLO-Programm auch das Privileg, Minderheit sein zu dürfen, nur den Juden zuteil werden, die schon vor 1917 im Land ansässig waren. Der Vorschlag zielt also nach wie vor auf die Zerstörung des jüdischen Staates und Volkes. Propagandistisch wird der Vorschlag gern mit dem Etikett des “multirassischen” oder sogar “binationalen Staates” versehen, und Teile der Neuen Linken nehmen dies allzugern für bare Münze. Wer aber genauer zu lesen versteht und auch die Schriften für den Innengebrauch kennt, der weiß, was gemeint ist: die Reduzierung des israelischen Judentums auf die Sehenswürdigkeit eines Naturschutzparks. [ 2 ]

b) Die Flüchtlinge.

Nicht Israel ist es, das die einheimischen Araber gewaltsam vertrieben hat. Das palästinensische Flüchtlingsproblem entstand durch den mißlungenen Angriff der arabischen Staaten gegen Israel von 1948. Ohne diesen Krieg lebten die jetzigen Flüchtlinge noch ebenso im Lande wie diejenigen, die es damals vorzogen, zu bleiben, und die heute ökonomisch und sozial zu den fortgeschrittensten Arabern im Nahen Osten zählen. [ 3 ] Trotz des Krieges hätten alle Palästinenser ihre Wohnsitze und Tätigkeiten in Israel beibehalten können. Die Gründungsurkunde des Staates Israel erklärt: “Wir appellieren an die Söhne des arabischen Volkes, die in Israel wohnen, mit uns in Frieden zu leben und ihren Teil zum Aufbau des Staates als gleichberechtigte Staatsbürger beizutragen.” Englische Polizeiberichte vom April 1948 bestätigen: “Die Juden machen jede Anstrengung, die arabische Bevölkerung zu überreden, ihr normales Leben fortzusetzen.” Der Arbeiterrat von Haifa richtete am 28. April 1948 einen speziellen Appell an sie, Israel nicht zu verlassen und seine Bürger zu werden. Sie selbst waren es, die sich aus ihrem Land exilierten.

Dafür hatten sie zwei Gründe. Zum einen fürchteten sie die jüdische Vergeltung für den arabischen Terrorismus, der seit November 1947 im Gange war. Der Überfall jüdischer Terroristen auf Deir Yassin blieb zwar ein Einzelfall, von dem sich die Haganah sogleich distanzierte, aber immerhin war eine solche Vergeltung einmal erfolgt. [ 4 ] Daher verließen die palästinensischen Araber ihre Häuser bereits zwischen Januar und April 1948. Assam Pascha, der Generalsekretär der Arabischen Liga, kündigte am 15. Mai die arabische Absicht an, “einen Krieg der Vernichtung und des bedeutenden Massakers zu führen, von dem man sprechen wird wie von den mongolischen Massakern und von den Kreuzzügen”. [ 5 ] Am selben Tage wurden zweihundert jüdische Siedler in Kfar Etzion niedergemetzelt. [ 6 ] Setzt man diesen ethischen Kodex voraus, so ist es nicht überraschend, daß die einheimischen Araber flohen, weil sie eine ähnliche Behandlung seitens der Israelis erwarteten. [ 7 ] Zum andern wurde die versprochene Invasion der arabischen Armeen eingeleitet durch Rundfunksendungen, die die Drohung enthielten, jeder Araber, der zurückbleibe, werde als Kollaborateur mit den Juden aufgehängt werden. Die Palästinenser wurden aufgefordert, das Land zu verlassen und erst mit den Eroberern wieder zurückzukehren. [ 8 ] Die Flüchtlinge sind nicht ein Produkt des Krieges als solchem, sondern ihre Flucht wurde von den arabischen Regierungen eigens veranlaßt.

Nach allen Analogien, mag auch die Rechtslage überall wieder eine andere sein, wäre es Aufgabe der arabischen Regierungen gewesen, die Flüchtlinge einzugliedern. Flüchtlinge sind leider nichts Sensationelles. In den letzten fünfzig Jahren wurden in der Welt 150 Millionen Menschen zu Flüchtlingen. Griechenland hat nach dem Ersten Weltkrieg eine Million Griechen aus der Türkei absorbiert, Finnland 1940 400.000 Karelier, Westdeutschland nach 1945 neun Millionen Sudetendeutsche, Ostdeutsche u. a. Überall gelang dies, wenn auch oft unter schwierigsten Bedingungen, und ohne äußere Hilfe. Deutschland benutzt seine Flüchtlinge nicht als revanchistisches Potential, obgleich Ostpreußen und Schlesier sich vielleicht mit mehr Recht als die arabischen Flüchtlinge darüber beschweren könnten, man habe sie vertrieben und ihnen die Selbstbestimmung geraubt. Die Bundesrepublik stellt den Frieden in Europa höher als das Pochen auf erlittenes Unrecht, es hat die Flüchtlinge zu einem produktiven Element gemacht und starrt nicht in statischer Fixierung auf die Wiederherstellung früherer Zustände. Nur die Palästinaflüchtlinge sind Flüchtlinge geblieben. Von den 14 Milliarden D-Mark (Stichjahr 1968) aus Erdölausgaben, die den arabischen Regierungen jährlich ohne Gegenleistungen zufallen, wird für sie nichts abgezweigt. Nicht einmal arabische Hilfsorganisationen sind neben den kirchlichen aus westlichen Ländern in den Flüchtlingslagern tätig.

Denn die arabischen Regierungen zogen und ziehen es vor, diese armen Menschen in Lagern zusammengepfercht dahinvegetieren zu lassen, um sie als Bauern auf dem politischen Schachbrett und als permanentes lebendiges Anklagematerial gegen Israel zu benutzen. Durch das Flüchtlingselend soll die Welt immer wieder auf das Unrecht, das Israel begangen habe, zurückgelenkt werden. Und in der Tat honoriert die Welt diese Methode, indem sie alle sonstigen Flüchtlinge vergißt, von den arabischen Flüchtlingen dagegen spricht. Israel soll gezwungen werden, alle nunmehr seit Jahren im Haß gegen Israel erzogenen Flüchtlinge als Fünfte Kolonne zurückzunehmen, die dann von innen her für seine Vernichtung sorgen würden. [ 9 ]

Daher sind die arabischen Regierungen wohl in der Lage, Unsummen für Waffenkäufe auszugeben, nicht dagegen, etwas Produktives für die Flüchtlinge zu tun. Für sie haben sie nur die Hoffnung auf einen neuen heiligen Krieg gegen Israel. Anfänglich unternahm die UNRWA (United Nations Relief and Works Agency) – die jährlich 35 Millionen Dollar für die Flüchtlinge aufbringt – Versuche, 150.000 Flüchtlinge in Libyen anzusiedeln: die ägyptische Regierung wußte es zu vereiteln. Auch Verhandlungen mit Syrien, 85.000 Flüchtlinge unterzubringen, führten nicht zum Ziel. Selbst Hussein und der Außenminister Iraks – der darauf hinwies, daß Irak die Flüchtlinge aufnehmen könnte – haben sich gelegentlich gegen die ägyptische Flüchtlingspolitik gewandt. [ 10 ]

Obgleich für die Entstehung des Flüchtlingsproblems nur indirekt verantwortlich, haben die Israelis sich auf der Lausanner Konferenz 1949 bereit erklärt, 100.000 Flüchtlinge zurückzunehmen (48.000 wurden unterdessen zur Wiedervereinigung von Familien repatriiert) und zu einem Fonds für die Eingliederung der Flüchtlinge beizutragen. Auch dies sowie Israels Vorschlag eines Fünf-Jahres-Plans für die Lösung des Flüchtlingsproblems lehnten die arabischen Staaten ab.

Über die Zahl der Flüchtlinge schwanken die Schätzungen zwischen 500.000 und 1.3 00.000. Aus propagandistischen wie finanziellen Gründen wird sie gern übertrieben. Dr. Walter Pinner errechnet in seinem Buch The Legend of the Arab Refugees die echte Zahl mit 250.000, [ 11 ] andere schätzen sie auf fast eine halbe Million, die auf eine Million anwuchs. [ 12 ] Der Rest besteht aus selbsternannten Flüchtlingen, die nur von der Unterstützung profitieren wollen, aus inzwischen Verstorbenen, deren Tod nicht gemeldet wurde, und aus Exflüchtlingen, die sich bereits wieder selbst ernähren, sich jedoch noch registrieren lassen. Die Flüchtlingslager ziehen Arbeitsscheue an, die auch früher nicht besser lebten, ja die als Flüchtlinge besser leben als bisher. Umgekehrt schufen aktive Elemente sich aus eigener Kraft eine neue Existenz.

Während die arabischen Flüchtlinge die Zeitungen füllen, spricht niemand von den 4,5 Millionen Europäern, die in den letzten zwanzig Jahren gezwungen wurden, mittellos arabische Länder zu verlassen, und von den 600.000 bis 700.000 jüdischen Flüchtlingen, die Israel, ohne internationale Hilfe für die Eingliederung, aus den arabischen Ländern übernommen hat. Arabische Behörden sind zum Teil dazu übergegangen, für die Auswanderung pro Person ein hohes Lösegeld zu fordern. Während Israel die Bankkonten der Araber, die Israel verließen, freigab und in fremder Währung auszahlte, erhalten Juden aus arabischen Ländern von dem, was sie zurückließen, nichts wieder. Die Tatsache der jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern widerlegt am schlagendsten Deutschers These, man habe die Araber dazu ausersehen, die Verbrechen Europas an den Juden zu bezahlen. Durch die Verfolgung ihrer jüdischen Minderheiten lieferten und liefern sie selbst für den Staat Israel eine ratio essendi.

Wieder muß, auch hier, die doppelte Elle verwundern, mit der gemessen wird. Warum verdienen es nur die arabischen Flüchtlinge, daß man ihre Rechte anerkennt, und nicht die Juden im Irak, deren Besitz beschlagnahmt ist, die nicht arbeiten, andererseits aber auch nicht auswandern dürfen und von denen man Unschuldige öffentlich erhängt? Warum kein Protest gegen die Behandlung der Juden in Ägypten, wo die meisten jüdischen Männer ohne Anklage im Gefängnis sitzen? Oder in Polen, einem sogenannten sozialistischen Land das seine wenigen verbliebenen Juden unter dem Vorwand, sie seien Zionisten – was sie großenteils gar nicht sind –, verjagt! Solche Einseitigkeit macht unglaubwürdig. Diejenigen von der Neuen Linken, die sich ihrer befleißigen, rücken damit in die Nähe der UNO (in der 14 arabische Delegationen sitzen), wenn sie einseitig Israel verurteilt, gegen die arabischen Staaten jedoch, die die Vernichtung Israels proklamieren und damit den Satzungen der UNO zuwiderhandeln, kein Wort findet.

Anmerkungen

[ 1 ] Anm. d. Hrsg.: Die Idee eines binationalen Staates findet sich im Werk des Philosophen und Historikers Hans Kohn (1891–1971) etwa in seinem Aufsatz “Zur künftigen Gestalt Palästinas” dargelegt. In: ders., Robert Weltsch (Hrsg.): Zionistische Politik, Mährisch-Ostrau 1927. Moscheh Yaakov Ben-Gavriêl (1891–1965) trat für die Verbrüderung aller semitischen Völker als Vorstufe zu einem Panasiatismus ein, mit dem jeglicher Nationalismus in Asien überwunden werden sollte. Vgl. etwa Eugen Hoeflich [d. i. Ben-Gavriêl]: Die Pforte des Ostens, Berlin 1923.

[ 2 ] Über die schwere Problematik eines Einheitsstaates vgl. Heft 5/6 der Elements (Sommer 1970), vor allem das darin wiedergegebene Gespräch zwischen Fouad Khaled und Uri Avnery.

[ 3 ] Jacob M. Landon: The Arabs in Israel, Oxford 1969.

[ 4 ] Anm. d. Hrsg.: Während des israelischen Unabhängigkeitskrieges 1948 griffen Einheiten der rechts-zionistischen Untergrundorganisationen Lechi und Irgun das arabische Dorf Deir Yassin bei Jerusalem an. Aufgrund des militärisch unverhältnismäßigen Vorgehens gab es zahlreiche zivile Opfer. Von den rund 120 arabischen Toten konnten nur zehn sicher als Freischärler identifiziert werden. Sowohl die Haganah, aus der in dieser Zeit die reguläre israelische Armee hervorging, als auch die Jewish Agency verurteilten das Vorgehen von Irgun und Lechi. Zu den Diskussionen um die Opferzahlen, die Debatte um Deir Yassin und seine politische Instrumentalisierung vgl. Benny Morris: The Historiography of Deir Yassin, in: Journal of Israel History 1 (2007).

[ 5 ] Judd L. Teller: The Arab-Israel Conflict – Myths and Facts, Washington 1969, S. 11.

Anm. d. Hrsg.: Der ägyptische Politiker und Diplomat Abdel Rahman Azzam (1893–1976), auch als Assam Pascha bekannt, war von 1945 bis 1952 der erste Generalsekretär der Arabischen Liga.

[ 6 ] Anm. d. Hrsg.: Nach einer mehrtägigen Belagerung von Kfar Etzion bombardierten Truppen der Arabischen Liga den Kibbuz am 13. Mai 1948, einen Tag vor der Unabhängigkeitserklärung Israels. Nach der Einnahme des Ortes töteten arabische Legionäre und Milizen zahlreiche Siedler, die sich zuvor ergeben hatten. Die einzigen vier Überlebenden wurden nach Transjordanien verschleppt.

[ 7 ] Über die Fluchtmotive vgl. Wolf-Dieter Bopst: Die arabischen Palästinaflüchtlinge, Regensburg 1968, S.37.

[ 8 ] Research Group for European Migration Problems, Bulletin Januar/März (1957). Regional Development for Regional Peace, Public Affairs Institute, Washington 1958. Aber der britische Journalist Erskine B. Childers fand keinerlei Beleg für solche Aufforderungen. Nach Fred J. Khouri: The arab-israeli Dilemma, New York 1968, S.389, Fußnote 2. Weiteres Material bei Franz Ansprenger, Israel und die dritte Welt, in: Kurt Sontheimer (Hrsg.): Israel, S. 256 f., und Christopher Sykes: Kreuzweg nach Israel, S. 331–363, insbes. 353 f.

[ 9 ] Nach Deborah Kaplan: The Arab Refugees an Abnormal Problem, Jerusalem 1959, S. 224.

[ 10 ] Vgl. Lord Sieff of Brimptons Memorandum zur Frage der arabischen Flüchtlinge.

[ 11 ] Anm. d. Hrsg.: Walter Pinner: The Legend of the Arab Refugees, Tel Aviv 1967.

[ 12 ] Frank Gervasi: The Case for Israel, New York 1967, Kap. Refugees, Myths and Realities, S. 108 ff.: 587.000. In den Lagern leben nur noch 37 Prozent, der Rest scheint absorbiert. 1967 trafen die Israelis in der Westbank und in Gaza weniger Flüchtlinge, als vorher angegeben worden waren.

Trennmarker