Initiative Sozialistisches Forum Freiburg

Programm Sommer 2024

 

Alle Vorträge finden als Hybrid-Veranstaltungen in Präsenz mit Zoom-Übertragung (Zoom-Link: https://us06web.zoom.us/j/88664348128?pwd=alZJWDZFalJlK2FGclBUMW9BdklGUT09) statt.

 

Mai

 

Dienstag, 7. Mai 2024
Buchvorstellung von Hermann Lueer: Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung


Karl Marx und Friedrich Engels haben die Grundprinzipien der kommunistischen Gesellschaft in Übereinstimmung mit ihrer Kritik des Kapitals eindeutig formuliert: 1. Die Durchsetzung der Arbeitszeitrechnung ist die unvermeidliche ökonomische Grundlage der kommunistischen Gesellschaft. 2. Die Kommune ist die politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen kann. 55 Jahre später veröffentlichte die Gruppe Internationaler Kommunisten als Reaktion auf die negative Entwicklung der russischen Revolution ihre Schrift Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung. Die darin ausgeführte Kritik der verschiedenen Theorien und Praktiken, die sich auf den Marxismus, den Anarchismus oder ganz allgemein den Sozialismus berufen, bezog sich auf die Schwachstelle der Arbeiterbewegung, die sich zum Ziel setzte, die Produktionsmittel in Gemeinschaftsbesitz zu bringen und nicht ahnte, dass mit dem Übergang zum Gemeinschaftsbesitz das Problem einer neuen Produktionsweise erst gestellt ist. Damit wurde eine Kritik formuliert, die bis zum heutigen Tag nichts von ihrer Aktualität verloren hat.

Es spricht Hermann Lueer (Malmö), Autor und Herausgeber rätekommunistischer Literatur bei Red & Black Books. Zuletzt hat er als Herausgeber das Buch von David Adam: Die Arbeitszeitrechnung und das Absterben des Staates. Beiträge zur Kritik gängiger Irrtümer übersetzt. Um 19 Uhr nur online über Zoom (Link siehe oben).

 

 

Juni

 

Donnerstag, 6. Juni 2024
Buchvorstellung von Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie. Erster Band. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals


Der im ça ira-Verlag erschienene Reprint der Erstauflage des Kapitals von 1867 macht diesen für die neuere Marx-Lektüre grundlegenden Text leicht zugänglich, wobei sich die Frage aufdrängt, ob die bisherigen gängigen Ausgaben nicht auch ausreichen. Eine Einführung in die unterschiedlichen Fassungen der Marx'schen Kritik der politischen Ökonomie zeigt anhand der verschiedenen Variationen ihres Kernstücks, d.i. der Wertformanalyse, dass die Varianten von Marx als Ausdruck einer Krise der Theorie interpretiert werden müssen, die auch auf die Neue Marx-Lektüre übergreift. Diese ging mit Georg Lukács davon aus, alle Probleme der durch das Kapital vermittelten Gesellschaft durch die Lösung des ›Rätsels der Warenstruktur‹ auflösen zu können. Durch die Wiederentdeckung der Erstauflage des Kapitals glaubte man, diesem Ziel etwas näher gekommen zu sein, weil in ihr das ›Problem des dialektischen Widerspruchs‹ noch erkennbar sei, während Marx die Dialektik in den späteren Auflagen verwässert und den Text mit »Pseudodialektik« (Hans-Georg Backhaus) kontaminiert habe. Die These von der Entstellung der dialektischen Methode durch Popularisierung erweist sich allerdings als Finte: Das Unverständnis, auf das die Wertformanalyse nicht nur bei den ersten Lesern (Friedrich Engels und Louis Kugelmann) stößt, hat seine Ursache nicht darin, dass die Leser nicht »durchaus in dialektisches Denken eingewohnt« sind (Marx in der Erstauflage), sondern lässt erkennen, dass Marx mit seiner Analyse auf eine Frage antwortet, die er im Text gar nicht stellt. Stattdessen lässt er den Leser völlig im Unklaren darüber, was mit dem zwischen wissenschaftlicher Abhandlung, Kritik, Polemik und Nachhilfeunterricht in politischer Krisenbewältigung für rückständige Nationen seltsam oszillierenden Buch überhaupt erreicht werden soll. Marxʼ innere Widersprüchlichkeit desavouiert das Anliegen der Neuen Marx-Lektüre, das ›Ganze der Wertformtheorie‹ zu rekonstruieren. Dennoch bleiben die Marx'schen Kategorien, zu deren Aufklärung jene Lektüre beitrug, unverzichtbar für eine Kritik, die den Wert in der Form des Kapitals als ein gesellschaftliches Verhältnis diffamieren lehrt, das wie ein lebendiges Subjekt auftritt – ein Subjekt allerdings, das sich stets nur von der Möglichkeit der Krise zu ihrer Wirklichkeit entfalten kann.

Es spricht Aljoscha Bijlsma (Wien), Autor des Artikels Schwierigkeiten bei der Lektüre der Erstauflage des Kapitals, erschienen in der Zeitschrift sans phrase (Nr. 21, Winter 2023).
Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlags, Günterstalstr. 37, im Hinterhof im 1. OG.

 

Donnerstag, 13. Juni 2024
Antisemitismus und die Lust am Wahn
(Kooperation mit dem Referat gegen Antisemitismus der Universität Freiburg)

Der Antisemitismus sei „etwas ganz anderes als eine Denkweise: Er ist vor allem eine Leidenschaft“, ein umfassendes „Engagement der Seele“, meinte Jean-Paul Sartre und betonte den zutiefst irrationalen Charakter der antisemitischen Regung. Max Horkheimer urteilte, er halte den Antisemitismus, „trotz der ungeheuren Bedeutung wirtschaftlicher und sozialer Tendenzen […] für ein im Wesentlichen psychologisches Phänomen“. Die schiere Freude, die Ausgelassenheit und Euphorie, die das antisemitische Morden begleitet, waren auch am 7. Oktober 2023 deutlich zu sehen – dem bis dato schlimmsten Massaker an Jüdinnen und Juden, das es seit dem Holocaust gegeben hat. Sie hat die Mörder der Hamas mit ihren Claqueuren weltweit vereint. Woher rührt diese Lust am antisemitischen Wahn?
Die in dem Vortrag vertretene These geht davon aus, dass der Antisemitismus vielen, die ihn verinnerlicht haben, einen psychischen Gewinn verschafft. Zunächst wird ein knapper Einblick in die Bedeutung der Psychoanalyse für die Kritik des Antisemitismus gegeben. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt darauf, welche Bedeutung der Bezug auf den pathologischen Narzissmus hierbei hat. Es soll deutlich werden: Mit der antisemitischen Tat fantasieren und komplettieren die antisemitischen Charaktere ihr grandioses Größenselbst.

Es spricht Thorsten Fuchshuber (Brüssel), Autor von Rackets. Kritische Theorie der Bandenherrschaft (ça ira 2019). Jüngste Veröffentlichung zum Vortragsthema: Der Genuss am Judenhass. Über den Zusammenhang von Antisemitismus und Narzissmus, in: Stephan Grigat (Hg.): Kritik des Antisemitismus in der Gegenwart. Erscheinungsformen – Theorien – Bekämpfung (Nomos 2023). Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Referat gegen Antisemitismus statt. Um 20 Uhr im Hörsaal 1015, KG1, Universität Freiburg.

 

 

Juli

 

Dienstag, 9. Juli 2024
Stadtrundgang
Freiburg im Nationalsozialismus
An exemplarischen Stationen wird gezeigt, was in Freiburg nach 1933 passierte, wie die Arisierung organisiert wurde, welche Menschen wo gelebt haben, die ihre Wohn- und Arbeitsstätten verlassen mussten. An der Universität wird vom Rektorat Martin Heideggers im Frühjahr 1933 die Rede sein. Der Rundgang endet gegen 17 Uhr am Platz der Alten Synagoge.

E. Imbery führt und kommentiert. Treffpunkt um 15.30 Uhr Universität, KG I, Rempartstraße.

 

Dienstag, 9. Juli 2024
Buchvorstellung von Alain Finkielkraut: Revisionismus von links: Überlegungen zur Frage des Genozids


»Was aber geschieht, wenn man ein Bombardement in Begriffen der ›Endlösung‹ beschreibt? Man übertreibt das erste Verbrechen und bagatellisiert das zweite, kurz: man lügt zweimal. Zunächst nimmt eine mörderische Handlung den Charakter eines außerordentlich schwerwiegenden Verbrechens an, doch sodann wird die Idee des Genozids selbst trivialisiert, sie verliert ihre eigene Realität und kann ohne weitere Unterscheidung zur Bezeichnung aller militärischen Schandtaten herhalten. In dieser verbalen Inkontinenz steckt etwas Prognostisches. Bei jeder Gelegenheit wieder hergesagt, durch seine metaphorische Verwendung geschwächt und durch unnötige Wiederholung beschädigt, erschöpft sich der Begriff ›Genozid‹ und stirbt. Diese Abnutzung der Bedeutung erleichtert den Revisionisten die Arbeit. Wenn man jedwede Brutalität einen Genozid nennt, wird das jüdische Beharren auf dem Gedenken im Grunde unverständlich.«
Dies schrieb Alain Finkielkraut 1982 in seinem Buch Revisionismus von links, das im Original L'Avenir d'une négation, also Die Zukunft des Revisionismus, hieß. Diese Zukunft ist zu unserer Gegenwart geworden. Die Geschichte des Dritten Reiches ähnelt immer mehr einem Mythos, der den politischen Erfordernissen gefügig gemacht wird. So glaubt Putin gegen die Nazis in Kiew zu kämpfen und die Palästinenser behaupten, sie seien die Juden und die Israelis die Nazis von heute, der Gazastreifen sei ein Ghetto und die militärische Antwort Israels nach dem barbarischen Angriff der Hamas vom 7. Oktober ein Genozid an den Palästinensern. Die Vergangenheit wird so nach Maßgabe der Gegenwart einer Revision unterzogen. Hierbei erwiesen und erweisen sich Auschwitz und die Gaskammern für die Revisionisten als das größte Hindernis, bei ihrem Versuch der Geschichte wieder einen Sinn zu geben. Nach Finkielkraut folgt diese Revision stets dem gleichen Muster, das das Besondere der Shoah einebnet. Dieses Muster hat er analysiert und seine Geschichte bis zur Dreyfus-Affäre nachgezeichnet. Der Vortrag beschäftigt sich mit Finkielkrauts Analyse des linken Revisionismus und wie es ihm gelang, unsere Gegenwart vor über 40 Jahren vorwegzunehmen.

Es spricht Niklaas Machunsky (Köln), der als Sozialwissenschaftler arbeitet. Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlags, Günterstalstr. 37, im Hinterhof im 1. OG.