Sebastian Tränkle über Albert Cohen

Sebastian Tränkle besprach für die FAZ Albert Cohens Erzählung ›Oh, ihr Menschenbrüder‹; darin heißt es u.a.:

»Der Zehnjährige muss erfahren, wie die Sprache im Angesicht der Gewalt ohnmächtig bleibt. Was nicht für die gewalttätige Sprache gilt: etwa für ›die mörderische Inschrift‹, die das Kind lehrt, dass das Urteil über es schon gefällt ist. Der alternde Schriftsteller weiß, was aus dem Menetekel an den Wänden von Marseille geworden ist: Der ›alte Tötungswunsch‹ hat sich im Unmaß verwirklicht. Und so macht Cohen sich keine Illusionen, sein Schreiben könnte dem etwas anhaben. Wozu dann dieses Buch?

Es ist sein Testament: Totenklage, Anklage und Appell zugleich. Mit ihm tritt Cohen den Beweis an, dass die Ohnmacht der Sprache nicht das letzte Wort hat. Indem sein Schreiben unterschied­liche sprachliche Register zieht, erzählt, ironisiert, appelliert, anklagt, reflektiert, vor allem aber: durch all das hindurch erinnert, erweist es seine ›schwache messianische Kraft‹.«