Initiative Sozialistisches Forum – Jour Fixe Programm Frühjahr/Sommer 1996

Jour Fixe Programm Frühjahr/Sommer 1996

Dienstag, 16. April 1996

Die Krise des Kapitals

Die Krisentheorien von Karl Marx und John Maynard Keynes weisen einige Affinitäten auf. Beide weisen zum Beispiel dem Geld und seinen Funktionen eine wichtige Rolle zu, und beide sind nur deshalb fähig, die Ursachen der zyklisch auftretenden Krise des Kapitals zu begreifen. Vor allem aber haben sie eine Gemeinsamkeit, die sie von allen anderen Ökonomen unterscheidet: Sie beanspruchen, die Revolutionierung des ökonomischen Denkens geleistet zu haben, und sie bestehen überdies darauf, daß die Theorie die Gesellschaft revolutionieren soll. Aber gerade in dieser essentiellen Gemeinsamkeit liegt – so paradox es klingt – zugleich ihr fundamentaler Unterschied: Nach Marx kommt es zur revolutionären Aufhebung des Kapitalismus, nach Keynes dagegen zu seiner revolutionären Stabilisierung. – Es spricht Fuad Can (Berlin).

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage)

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Dienstag, 23. April 1996

Die Aufhebung der Geschlechter

Wie sehr die Wünsche mit der medialen Sinnproduktion korrespondieren, macht ein Ausspruch von Kim Basinger deutlich, die als Hollywoodstar schon als Person unter die Rubrik mediale Fiktion fällt. Auf die Frage, welche Art Frau sie verkörpern möchte, sagt sie: “Die wahre Frau, die von heute. Vor allem eine Persönlichkeit, stark, tüchtig; eine, die auch schießen kann, aber immer absolut weiblich bleibt. Sie selbst. Doch mit denselben Rechten wie die Männer”. Diese Antwort löst die Quadratur des Kreises und ist ein Musterbeispiel postfeministischer Korrektheit. Sie deckt alles ab, was, bis hin zum Schießen, derzeit wünschenswert ist, und sie sagt nichts. Denn was heißt schon “weiblich”? Und was bedeutet es, man selber zu sein? – Es spricht Christel Dormagen. Sie lebt als Übersetzerin in Hamburg und hat zuletzt das Buch “Mond und Sterne. Über die Aufhebung der Geschlechter” (Klein Verlag 1994) sowie den Aufsatz “… und jetzt basteln wir uns unser Geschlecht selber” (in: Frauen 4: Mit Foucault und Fantasie, 1995) veröffentlicht.

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage)

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Dienstag, 7. Mai 1996

Die Welt der Bundeswehr

Die deutschen Militärs und die Rückkehr des Krieges

Während der Jahrzehnte des Kalten Krieges war es dem deutschen Soldaten unvorstellbar, tatsächlich in den Krieg ziehen zu müssen. Weil jede “heiße” militärische Auseinandersetzung im geographischen Zentrum der Ost-West-Konfrontation mit dem Risiko allseitiger nuklearer Totalvernichtung verbunden war, wurde die “organisierte Friedlosigkeit” auf Dauer gestellt. Diese Epoche ging 1989 zu Ende. Unter den Stichworten “Normalisierung” und “weltpolitische Verantwortung” vollzieht sich seither eine Neuorientierung der Außen- und Militärpolitik, die die Ambitionen des deutschen Staates erkennen läßt, eine Rolle als Weltmacht zu spielen und seine geopolitischen Interessen auch militärisch durchzusetzen. Zwar soll die Bundeswehr nicht unbedingt Krieg führen, aber sie soll auf jeden Fall Krieg führen können. – Es spricht Ulrich Bröckling (Freiburg).

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage)

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Samstag, 18. Mai 1996

Antifaschistischer Stadtrundrang

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Dienstag, 21. Mai 1996

Umgekehrte Psychoanalyse

Kulturindustrie und Verdrängung

Der Begriff der “umgekehrten Psychoanalyse”, den Leo Löwenthal in den 30er Jahren entwickelte, denunziert die psychologischen Herrschaftstechniken des Spätkapitalismus, die zur Unterordnung unter demagogische Führer oder kulturindustrielle Instanzen führen. Die “umgekehrte Psychoanalyse” ist nicht auf Reflexion oder gar Kritik des Bestehenden gerichtet, sondern auf seine rückhaltlose Affirmation. So ist sie Funktion des kapitalen Interesses. Wenn der Verwertungsprozeß ins Stocken gerät, mobilisiert dies psychologische Krisenmanagement die Individuen, um die Gesellschaft zu transformieren. Als Psychotechnik verhält sie sich zur Psychoanalyse Sigmund Freuds, deren Erkenntnisse sie voraussetzt, zugleich als Barrikade der Abwehr, des Widerstands und der Verdrängung. Indem sie die Psychoanalyse instrumentalisiert, demonstriert sie in einem deren Wirksamkeit und Unwahrheit: durchschlagend effektive Therapie an der falschen Gesellschaft. – Es spricht Willi Krüger (Freiburg).

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage)

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Dienstag, 4. Juni 1996

Wie kam die Nation nach Kurdistan?

Der Konflikt zwischen den nationalen Bewegungen Kurdistans und den Nationalstaaten, die sie unterdrücken, durchzieht die Geschichte der Region wie ein blutiger roter Faden. Es ist diese Kontinuität, deren Verständnis gemeinhin mittels Schlagworten wie “Volk ohne Staat”, “kurdische Identität und Kultur” oder gar “Terrorismus” gestiftet werden soll. Der Vortrag will derartigen Erklärungen auf den mutmaßlich hohlen Zahn fühlen. – Es spricht Jan Keetman (Freiburg), der für “analyse & kritik” und die Züricher “Wochenzeitung” (WoZ) schreibt.

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage)

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Dienstag, 18. Juni 1996

Nazas in Freiburg

Über den Faschismus der Frauen

Am Beispiel Freiburg wird über die vielfältigen Möglichkeiten der Frauen berichtet, sich direkt oder indirekt, organisiert oder als sog. “Mitläuferin” als Nationalsozialistinnen zu verwirklichen. Das Interesse gilt sowohl den Frauen, die sich zwischen 1932 und 1945 in den lokalen NS-Organisationen hervortaten, als auch denjenigen, die sich ganz ohne Parteibuch als gute Nazas auszeichnen konnten. Unter anderem wird es über den Unterschied zwischen Denunziation und Anzeige sowie zwischen Volkswohlfahrt und Sozialfürsorge gehen. Am Schluß steht die Frage, was aus den Freiburger Nazas nach dem 8. Mai 1945 geworden ist. – Es spricht Birgit Heidtke (Freiburg), die mit Christina Rössler das Buch “Margarethas Töchter. Eine Stadtgeschichte der Frauen von 1800 bis 1950 am Beispiel Freiburg” (Kore) veröffentlicht hat.

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage)

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Dienstag, 2. Juli 1996

Der Nationalismus in Spanien

Wird aus Katalonien ein zweites Bosnien?

Seit Francos Tod, und mehr noch seit dem Zerfall der Sowjetunion, haben in Katalonien (aber auch im Baskenlan d) die nationalistische Regierungspartei sowie fast die gesamte parlamentarische und außerparlamentarische Opposition dem “Befreiungsnationalismus” neues Leben eingehaucht. Rebellisch in der Form, konformistisch seinem Inhalt nach, taugt er zum Kitt einer bröselnden Gesellschaft. Der Vortrag wird die Entwicklung der iberischen Spielart des Nationalismus nachzeichnen und auch die neuere akademische “Nationalismusforschung” kritisch unter die Lupe nehmen. – Es spricht Harald Piotrowski (Barcelona).

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage)

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Dienstag, 16. Juli 1996

Dialektik und Existentialismus

Über Heidegger und Sartre

Die Existentialontologie, die Martin Heidegger in “Sein und Zeit” entwarf, treibt zwangsläufig über sich hinaus: Sei es, daß sie sich, wie bei Heidegger selbst, in den Mystizismus einer “Seinsgeschichte” verflüchtigt; sei es, daß versucht, wird die abstrakte Weltlosigkeit des Heideggerschen “Daseins” dialektisch aufzulösen. Was die zweite Option betrifft, so ist sicherlich Jean-Paul Sartres Versuch, den Existentialismus mit marxistischer Dialektik zu verbinden, der interessanteste. Der Vortrag will die Aporien von Sartres “Dialektisierung” der Existentialontologie aufzeigen – wobei es allerdings weniger um die Kritik der sartreschen Philosophie geht als vielmehr darum, die philosophische Größe zu würdigen, die in ihrem Scheitern steckt. – Es spricht Michael T. Koltan (Archiv für soziale Bewegungen, Freiburg).

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage)

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