Initiative Sozialistisches Forum – Werwolf und Djihad

Initiative Sozialistisches Forum

Werwolf und Djihad

Die Zerstörung des World Trade Center und der barbarische Untergang

Die einfachste surrealistische Handlung besteht darin, mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings so viel wie möglich in die Menge zu schießen
André Breton (1930)

Macht sie nieder, allesamt: Keiner, der in der bürgerlichen Gesellschaft ein Mindestmaß psychischer Gesundheit und moralischer Integrität sich bewahren konnte, der noch nicht davon geträumt hat, mit dem Maschinengewehr blindlings in ein Kaufhaus, ins Dreisamstadion oder gleich in den Reichstag zu feuern. Gründe dafür gibt es übergenug, und es erübrigt sich daher, mehr als nur diesen einzigen anzuführen: “Man muß diesen Typen nur ins Gesicht sehen”, diesen Westerwelles, Biskys und Merkels, diesen Fischers, Stoibers und Schröders, denen der Stolz, deutsch zu sein, ins Gesicht geschrieben steht, diesen so dreisten wie meist auch feisten Charaktermasken von Herrschaft und Ausbeutung, um ihnen die Pest und die Cholera an den Hals zu wünschen. Das sind Leute, die das Gewaltmonopol über den grünen Klee loben, das heißt die Zentralisierung des Terrors, die die Bedingung der Möglichkeit des Nazifaschismus und der Massenvernichtung war, das sind Leute, die schwärmen von “Kultur” und “Zivilisation”, und sie haben Deutschland doch dudenfrei gemacht, das sind Leute, die mit den Überlebenden und den Zwangsarbeitern um jede Mark feilschen und dabei aussehen wie Schleyer, Lambsdorff und Olaf Henkel – Leute sind das, die als die Rechtsnachfolger des “Dritten Reiches” auftrumpfen und die tatsächlich die puterstolzen Testamentsvollstrecker des Nazifaschismus sind. Die sind es, die um die Broker des World Trade Center trauern, nicht um die Fahrstuhlführer und Buffetmammsells, nicht um die Sekretärinnen, nicht um die Jobber und Geherdas, denen das islamistische Massaker ein Leben nahm, dessen armselige Freuden in bißchen Joggen und Biken bestanden: Es war allerdings ihr einziges. Nach ihnen wird in Stuttgart keine Halle Martin Schleyer heißen.

Wenn Deutschlands herrschende Klasse, die “politische Elite”, wie sie schönrednerisch genannt wird, demonstrativ über den Tod amerikanischer Staatsbürger trauert, dann kann etwas nicht stimmen: Ist es doch der Auftrag und das Wesen des Politikers, den Wolf im Schafspelz zu spielen und lammfromm die beste Gelegenheit abzuwarten, dem Feind an die Kehle zu gehen. Politiker, insbesondere deutsche, sind Schauspieler im Auftrag der Staatsräson. “Erschütterung” sowie auch “Betroffenheit” zeigen sie von Berufs wegen vor: eine Erkenntnis, die weder neu ist noch zynisch, sondern aus dem Handbuch der angewandten Staatswissenschaft stammt, das heißt von Nicolò Machiavelli. Die Toten der Massaker haben sie noch nie geschert. Was Hutus, was Tutsis: Die Gattung bedeutet dem Kapital und seinem Staat nur das Menschenmaterial und den Arbeitskraftbehälter. Schlimmstenfalls haben sie das Abschlachten mit ihrer Wehrmacht gleich selbst besorgt, bestenfalls haben sie die Massaker als willkommenen Vorwand genutzt, ihren “starken Staat” und ihre “wehrhafte Demokratie” weiter zu befestigen, die Bundeswehrmacht auf Intervention zu trimmen und den Ausnahmezustand zu planen. So ist das Massaker von New York nur eine gute Gelegenheit, die “Frankfurter Allgemeine” lamentieren zu lassen, daß “der Staat im dekadenten Luxus einer allgegenwärtigen Ortskrankenkasse verglimmt.” (24.9.) In Wahrheit sind nicht die Toten tot, sondern der Staat ist das Opfer.

Wer wirklich trauert, hat den deutschen Staat zu stärken. Und so ist es die Politik der bedingungslosen Forcierung der Souveränität – einer deutschen Souveränität, die sich perspektivisch gegen die Vereinigten Staaten richtet –, die die politische Öffentlichkeit der Nation als Lehre und Konsequenz des Massakers zu ziehen beliebt. “Die Politik spaltet, die Krise eint”, das weiß der Börsentrottel der ARD. So wird, in bewußter Anspielung auf den 4. August 1914, der “Burgfrieden” ausgerufen, und es wird dekretiert: “Wenn der Feind vor den Toren steht, hat innerhalb der Mauern jeder Streit zu ruhen.” (FAZ, 28. 9.) Aber wer ist der Feind der Deutschen? Wer ist es schon immer gewesen, weil er gar nicht anders kann? “Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt”, befand der Nazi-Jurist und diskrete Vater des Grundgesetzes, Carl Schmitt, noch 1963 in seiner “Theorie des Partisanen”, und es versteht sich, logisch wie historisch, daß es, wenn Deutsche sich nach ihrem Wesen befragen, nur immer antisemitische Antworten geben kann. Der Feind mag viele Namen haben, letztlich findet die “deutsche Frage” ihren Antagonisten doch in der Gestalt “des” Juden. Und in seiner politischen Form: Israel.

Daher ist die transatlantische Solidarität, die Deutschland den Vereinigten Staaten im Kampf gegen die faschistische Fraktion des Islam gelobt, durchtrieben und durchaus halbherzig: Denn einerseits ist es der Stand der Dinge, daß Deutschland noch einige Zeit an seiner Herrschaft über den “Mitteleuropäischen Wirtschaftsraum” wird arbeiten müssen, daß die Zerschlagung Jugoslawiens im Namen des famosen “Rechts auf nationale Selbstbestimmung” nur die erste, und billige, Abschlagszahlung auf die Träume des deutschen Kapitals und seines Staates darstellt, daß sie auf Sicht noch gezwungen sind, im Windschatten der amerikanischen Hegemonie zu manövrieren: die Lage der Nation genügt ihren Ambitionen nicht. Andererseits jedoch will man sich alle Optionen für die Zukunft offenhalten. Man darf sich die Perspektive nicht verbauen. Darin besteht sie, das historische Bündnis Deutschlands mit den Despotien des Nahen Ostens, das schon der Kaiser, dann auch der Führer pflegte, nicht zu gefährden, es vielmehr erneut ins Leben zu rufen. Israel steht dieser politischen Perspektive nur im Wege. Als der Djihad gegen Israel mit der al-Aqsa-Initifada seinen Anfang nahm und seit im Oktober 2000 in den Moscheen von Gaza den Gläubigen gepredigt wurde: “Wo immer ihr sie trefft, tötet sie. Wo immer ihr seid, tötet Juden und Amerikaner”, seitdem hat sich die deutsche Politik bemüht, als “ehrlicher Makler” aufzutreten, aber de facto, wie eine überfraktionelle Grundsatzerklärung des Bundestages zum Thema “Eckpunkte eine neuen deutschen Nahost-Politik” im August verkündete, seine “Rolle als Geburtshelfer und Pate des zukünftigen palästinensischen Staates” zu spielen (FAZ, 21.8.). Wer den Spielfilm “Der Pate” erinnert, der weiß, was gemeint ist. Es ist dabei der Nazifaschismus, der Deutschland zu den kühnsten Hoffnungen ermächtigt, es ist gerade die Erfahrung des letzten Aufgebots, von Volkssturm und Werwolf, die es dem Paten ermöglicht, sich in die islamistischen Selbstmordkommandos einzufühlen. Es verhält sich tatsächlich so, wie es der Außenminister der “taz” diktiert hat. “Es ist eine Leistung der rotgrünen Regierung, daß Deutschland gerade dort, im Nahen Osten, die Last seiner Geschichte in produktive Politik umsetzen konnte.” (taz, 29.9.). Eine Leistung, allerdings.

Nichts als Häme und Schadenfreude spricht daher aus den Solidaritätsadressen von links bis rechts, egal, ob im eher linksdemokratischen “Freitag” der Sozialdemokrat Günter Gaus Amerika davor warnt, daß, in der Reaktion auf das Massaker, “diesmal das Alte Testament vorbehaltlos über das Neue triumphiert” (21.9.), oder ob die tatsächlich rechte “Frankfurter Allgemeine” die Staaten zum “Verzicht auf eine alttestamentarische Politik der Rache” auffordert (17.9.); wie von selbst tropft nichts als Antisemitismus aus einer so deutschnationalen wie pazifistischen Betroffenheitsrhetorik, die die USA schon immer als die Agentur des alttestamentarischen Rachegottes ausmachte; und “Mammon” ist sein Prophet. Die Staaten stehen im Sold Jahwes, nicht zu Diensten Christi; un d ergo wird an der Wallstreet nicht ehrlich profitiert, sondern perfide spekuliert. Dem jüdischen Rachegott, der nie Ruhe gibt, sondern die Kollektivschuld “bis ins letzte Glied” sühnen wolle – ihm sei es nicht, sagt die immerwährende Friedensbewegung der Deutschen, um Versöhnung zu tun, sondern ums “Auge um Auge, Zahn um Zahn”, daher um die “Äquivalenz der Vergeltung”. Sowenig ist die deutsche Nation von Horst Mahler, von Dorothee Sölle, von den Islamfaschisten und der US-amerikanischen Rechten entfernt, daß sie es vielmehr überaus gut verstehen kann, daß die die US-Regierung ein “Zionist Occupied Government” heißen: Eigentlich, so denkt man und so fühlt man, haben es die USA gar nicht anders verdient, waren doch die Türme des World Trade Center “hybrider noch als jeder Turmbau zu Babel”. (“Freitag”, 21.9.)

Es ist aber das Unglück der Nation, ihre Häme und Schadenfreude nur durch die Blume sagen zu dürfen, in der Warnung vor Rache und Vergeltung, wie schon vor zehn Jahren in der “Kein Blut für Öl”-Kampagne und vor zwanzig im Kampf gegen den “atomaren Holocaust”. Daher toleriert die Bundesregierung islamfaschistische Vereine wie den “Kalifatstaat”, der ein sehr deutschfreundliches Programm hat: “Oh Ihr Muslime! … bereitet der Herrschaft einer Handvoll stinkender und ängstlicher Juden ein Ende!” (FAZ, 21.9.), und sie tut dies keineswegs aus Liberalismus oder Engagement für die multikulturelle Gesellschaft. Sondern sie toleriert das als eigene Herrschaftsreserve, als Option für deutsche Zukunft. Denn das sind die Bündnispartner von morgen, die, wie Aziz Assad oder Saddam Hussein, die USA ihrer “teuflischen Allianz mit dem Zionismus” (FAZ, 19. 9.) wegen anklagen, die, wie die baskische ETA und andere Völker, die Befreiung wollen, die USA der Vergiftung Palästinas bezichtigen (FAZ, 17.9.) oder die, wie die iranischen Mullahs, gerne vom “rassistischen zionistischen Regime” in Jerusalem sprechen und “Tod den USA! Tod Israel!” auf den Straßen von Teheran brüllen lassen. (FAZ, 26.9.) Das sind die Bündnispartner von morgen, zu denen man sich heute aus pragmatischer Rücksichtnahme noch nicht rückhaltlos bekennen mag, Partner in spe, die heute schon, wie Osama bin Laden, eine Struktur aufgebaut haben, die dem Paten gefällt: “Auch zur UÇK hat Bin Laden enge Verbindungen aufgebaut. UÇK-Kämpfer würden in Lagern in Afghanistan geschult. Zudem arbeiteten Bin Ladin und die UÇK im Rauschgiftgeschäft miteinander”, das alles weiß die “Frankfurter Allgemeine” immerhin. (21.9.)

Das sind die Bündnispartner von morgen, weil sie die Bündnispartner von gestern sind. Die von gestern waren eben die Moslembrüder und Islamfaschisten, die in den dreißiger Jahren in Amin el-Husseini, dem Mufti von Jerusalem, ihren Anführer gefunden hatten, die für das Bündnis der Palästinenser mit den Nazis, gegen Juden und gegen die Briten optierten. Der Mufti hatte im November 1943 in einer Rede, die das “Islamische Zentral-Institut zu Berlin e.V.” dann veröffentlichte, erklärt: “Araber und Mohammedaner! … Das, was die Deutschen uns annähert und uns auf ihre Seite bringt, ist die Tatsache, daß Deutschland in kein arabisches oder islamisches Land eingefallen ist und seine Politik seit altersher durch Freundschaft den Mohammedanern gegenüber bekannt ist. Deutschland kämpft auch gegen den gemeinsamen Feind, der die Araber und Mohammedaner in ihren verschiedenen Ländern unterdrückte. Es hat die Juden genau erkannt und sich entschlossen, für die jüdische Gefahr eine endgültige Lösung zu finden, die ihr Unheil in der Welt beilegen wird.” Das sind die Bündnispartner von gestern, und die von morgen, wenn das Bündnis übermorgen förmlich zu erneuern sein wird. Dann dürfen auch die Antiimperialisten und andere linke Irrwische mitlaufen, die sich einst in der “Autonomie” mit Joseph Fischer und Thomas Schmid an der Chomeini-Revolution begeisterten, und die heute, wie die traurigen Trotzkisten der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands, Schlagzeilen hämmern, die den Mufti erfreuen würden: “Zionistische Schlächter eskalieren Krieg gegen das palästinensische Volk!” Im Grunde seiner Seele wünscht das vereinte Deutschland den Vereinigten Staaten das Verderben an den Hals. In der Tat der Djihadisten spiegelt es sich wider und erkennt sich selbst als das zur barbarischen Dekonstruktion des Kapitalverhältnisses berufene Kollektiv. Zu den Attentätern unterhält es ein Verhältnis der unbewußten Delegation, denn bislang hat es nur den Traum seiner Sache – aber eines, wie der “Freitag” schrieb, ist bereits klipp und klar: “Die städtebaulich völlig überproportionierten Türme waren nie etwas anderes als eine Demonstration babylonischen Größenwahns.” (21.9.), und man möchte hinzufügen, daß Albert Speer sein “Germania” bestimmt nicht derart gigantoman erbaut hätte. Die Paten dagegen wissen, wie hoch man Menschen stapeln darf. Einstweilen in den Windschatten der imperialen Macht gezwungen, wünscht man den USA schon aus Gründen der Kiez-Kultur und des ökologischen Städtebaus den Untergang, traut sich aber nicht, das in aller Offenheit so auszusprechen, wie es der Führer nach Pearl Harbour tat. Und man wünscht Amerika nicht nur das Verderben, um Rache für Omaha-Beach zu nehmen – denn stimmt es etwa nicht, wie Saddam Hussein verlautbarte, daß “die Vereinigten Staaten der ganzen Welt über den Atlantik Tod und Verderben gebracht haben”? (FAZ, 14.9.) –, sie tun auch alles dafür, wie die “Frankfurter Allgemeine” schrieb, der “deutschen Entsagung” von der “verantwortungsvollen Machtpolitik” im “nationalen Interesse” das gerechte Ende zu bereiten. (27.9.)

Die Lust, mit der sie Trauer heucheln, gibt den genauen Index ihrer “klammheimlichen Freude”: Wie schön, wenn das Fernsehen den Einschlag an Heiligabend wiederholte! Der Vergleich mit dem “majestätischen Einsacken der Frauenkirche zu Dresden” (FAZ) ist nur eine Deckerinnerung, die es allerdings in sich hat. Die hinterlistige Trauer, die taktische Betroffenheit den Paten aufnötigt, zeigt den exakten Grad ihrer unbändigen Bewunderung für die islamischen Faschisten des Osama bin Ladin an, ihre Avantgarde: Sie sind die Partisanen, die einsamen Waldgänger und die Werwölfe, die in einer Welt von Feinden eben den Auftrag, den der Führer im Bunker zu Berlin uns gab, befolgen und bis zum bitteren Ende durchkämpfen: “Unsere Ehre heißt Treue”, aber letzten Endes hat sogar die SS den Führer verraten: Daraus speist sich in Wahrheit die “Unfähigkeit zu trauern”. Es sind die faschistischen Moslems, von denen man sich eine Scheibe abschneiden möchte, und man traut sich doch noch lange nicht. Sie sind es, die den deutschen Traum der Unmittelbarkeit wahr machen; und ihr Begriff von der Wahrheit ist der, den Martin Heidegger uns aus einem Schwarzwald gelehrt hat, der, einmal rein menschlich betrachtet, immer noch ausschaut wie die Wüste mit Bollenhut: Alles Sein ist Sein zum Tode. Sie sind der Inbegriff von Authentizität und Echtheit. Indem sie ihr Leben für ihren Wahn in die Schanze schlagen, geben sie die Praxis zur deutschen Theorie der Wahrheit. Indem der Leib der Gotteskrieger zum Unterpfand der Wahrheit ihres Wahns wird, werden sie zum Paradebeispiel eben der Wahrheit, die einem in Deutschland ganz allein daraus zuwachsen soll, daß man stolz darauf ist, deutsch zu sein. Wer mit seinem Leben für seine Lügen haftet, der, so besagt es deutsche Logik, muß die Wahrheit sagen. Marx dagegen trieb es mit der Haushälterin, darum taugt der Kommunismus nichts; Hitler beging Selbstmord, darum muß etwas dran sein am Nazifaschismus: So, und nicht anders, reimt sich das kollektive gesellschaftliche Unbewußtsein, das zu seinem Selbstbewußtsein drängt, zur Politik und zur Souveränität.

So grübelt und rätselt man über “den kaltblütigen Willen zum Massenmord, über den Fanatismus zum Selbstmord” (FAZ, 12.9.) und müßte doch nur sich selbst verstehen, um das Geheimnis zu lüften, das heißt die Volksgemeinscha ft als praktizierte Versöhnung begreiflich sich zu machen, die “das reibungslose Funktionieren unseres gesamten Wirtschaftssystems” (FAZ 13.9.) uns, dem in Wahrheit “auserwählten Volk”, beschert hat. Der faschistische Moslem ist die konkrete Utopie der Deutschen. Ihnen stellt sich der Koran, wie die Redaktion “Bahamas” glücklich definierte, als eine Art. “Heidegger für Analphabeten” dar, während man Jacques Derrida, einem Heidegger für linksdrehende Akademiker, den Theodor W. Adorno-Preis verleiht und die Kritiker als “antideutsche Banausen” abkanzelt. (jungle World, 26.9.) Es findet sich unter dieser Mischpoke wohl kaum einer, der sich der Freude erwehren kann, das Massaker von New York sei die Antwort auf die “Globalisierung”, die Rache für Seattle und Genua. Die Traumlogik des deutschen Unbewußtseins, das heißt die Ideologie so, wie sie pur zu Kopfe steigt, versteht und billigt das Massaker als eine Art Brechung der Zinsknechtschaft mit unorthodoxen Mitteln, als ein Attentat auf die “Weltherrschaft des Geldes” (Horst Mahler), das heißt als eine Aktion für die Weltherrschaft des produktiv schaffenden, des deutschen Kapitals.

Allesamt sind sie die Fans der schlechten, der barbarischen Aufhebung des Kapitals und seiner politischen Souveränität. Die penetrante Warnung an die Adresse der Vereinigten Staaten, nicht “alttestamentarische Grausamkeit” (Mahler) und Vergeltung zu üben, läßt durchblicken, wie unwillig man in Deutschland ist, das Äquivalenzprinzip des Tausches zu verstehen und damit die kapitalistische Gesellschaft, deren Ausdruck es ist, wie wenig man bereit ist, die Vereinigten Staaten als die historisch reinste Form dessen zu begreifen, wessen man selber frönt. Sie hetzen gegen das Äquivalenzprinzip schon deshalb, weil sie ahnen, wie die unmögliche Vergeltung für Auschwitz ausfiele. Die Gesellschaft des “rheinischen Kapitalismus” muß den american way of life strikt ablehnen, weil die deutschvölkische Kulturkritik, die das Sein (zum Tode) über das Haben (des Lebens) stellt, im “everybodies right to pursuit his happiness” nichts als den Anti-Christ sehen mag, nichts als den Angriff auf die Volksgemeinschaft und die Verhunzung der Menschen zu “egoistischen Sozialatomen” (Mahler). Die Motivation zur grundfalschen, zur barbarischen Kapitalismuskritik liegt eben darin, daß man von der Aufklärung und ihrer leider negativen Dialektik gar nichts verstehen will, daß man die Chance zum Individuum, die im Subjekt trotz seiner Bannung in den Tausch Platz hat, durchstreicht, und daß man vielmehr “das juristische Moment der Person und der Freiheit, soweit sie darin enthalten ist” (Marx) an der Wurzel ausreißen will. Darum versteht man die Djihadisten und die Amokläufer so verdächtig gut, während man die emanzipatorische Gewalt verteufelt, darum kann man in Osama bin Laden sich prächtig hineinfühlen – denn: “Wer Wind sät, wird Sturm ernten”, erklärt die DKP –, aber keinesfalls in die “Psychopathen” der Rote Arme Fraktion.

Inmitten dieses vollendeten Wahnsystems scheint tatsächlich die Tat von Werner Brauener, der im Februar den Direktor des Arbeitsamtes von Verden an der Aller totschlug, eine Insel der Vernunft zu sein. Keiner versteht ihn. Keiner hat Marinus van der Lubbe verstanden. Niemand hat in Deutschland eine Chance auf Verständnis und Solidarität, oder einfach nur auf Mitleid, der kein Amokläufer wäre, auch wenn er es, als Surrealist zum Beispiel, mit klarem Verstand täte. Caritas haben wir nur für den Werwolf und für den Djihad.

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