Gerhard Kümmel – Gerhard Scheit, Suicide Attack
Gerhard Kümmel
Gerhard Scheit, Suicide Attack. Zur Kritik der politischen Gewalt
Das Selbstmord-Attentat ist ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren im Zuge der zweiten Intifada der Palästinenser gegen Israel verstärkt in das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit getreten ist. Gegenwärtig ist insbesondere das Stakkato von Pressemeldungen aus dem Irak, das beinahe täglich auf uns hernieder prasselt und uns die Aktualität des Phänomens verdeutlicht. Daß sogar wir selbst von diesem Handeln betroffen und akut bedroht sein können, haben vor allem die suizidalen terroristischen Anschläge vom 11. September auf politisch und wirtschaftlich zentrale Einrichtungen der USA deutlich gemacht. Gerhard Scheit, freier Publizist aus Wien und Mitglied der Wiener Gruppe Cafe Critique, hat nun ein Buch vorgelegt, in dem er sich mit diesem Phänomen, hier in Konzentration auf den islamistischen Selbstmord-Attentäter, und dem ihm unterliegenden Opfer-Erlösungs-Gedanken unter Rekurs auf die Kritische Theorie, den Marxismus und die Psychoanalyse Freuds, aber auch in politiktheoretisch-philosophischem Rückgriff auf Hannah Arendt, Hobbes, Carl Schmitt und anderen auseinandersetzt. Herausgekommen ist dabei eine anspruchsvolle und voluminöse Monographie, die in einigen ihrer zentralen Aussagen und Thesen allerdings kräftigen Widerspruch hervorrufen dürfte. So sieht er in den islamistischen Selbstmord-Attentätern einen Vernichtungsantisemitismus am Werk, der dem nationalsozialistischen sehr ähnlich sei – der Islamismus beerbt hier sozusagen den Nationalsozialismus. Dieser Vernichtungsantisemitismus sei eine palästinensische Massenbewegung und treffe vielerorts und gerade auch in Deutschland auf eine heimliche verständnisvolle Verharmlosung. Im Gefolge dieser Argumentation wird jedoch das israelische Vorgehen gegen jegliche Kritik immunisiert und die Wehrhaftigkeit Israels einerseits und die Notwendigkeit einer fortbestehenden amerikanischen Hegemonie andererseits beschworen. Die Realität dürfte indes in weniger stark konturierten Schwarz-Weiß-Farben und mit vielen Übergängen in Grau-Schattierungen gezeichnet sein.
Erschienen in: Das Historische-Politische Buch, 2005, Heft 5