Jakob Schmidt – Andrea zur Nieden: Geborgte Identitäten
Jakob Schmidt
Andrea zur Nieden: Geborgte Identitäten
Sachliteratur zu Star Trek ist inzwischen keine Seltenheit mehr. Trotzdem verdient dieser Band einen zweiten Blick: Ausgehend von Ansätzen der kritischen Theorie versucht Andrea zur Nieden, das Phänomen Star Trek kulturwissenschaftlich in den Griff zu bekommen, wobei sie sich auf die beiden Serien The Next Generation und Voyager konzentriert. Dabei verfolgt sie zwei Hauptlinien: Zum einen untersucht sie, wie in den Serien die technische Durchdringung menschlicher Körper thematisiert wird, zum anderen und in Verbindung damit, wie Geschlechterverhältnisse verhandelt werden. In Star Trek bewanderte werden beim Thema technische Durchdringung natürlich an die Spezies der Borg denken – doch überraschenderweise braucht die Autorin eine ganze Weile, um genauer auf selbige zu sprechen zu kommen. Vorerst führt sie vor, wie sehr die Helden der Serie selbst schon Cyborgs sind und wie verdächtig ihre Föderation dem totalitären Borg-Kollektiv zuweilen gleicht. So kommt sie zu ihrer zentralen These: daß an den Borg praktisch das Negativbild der Föderation abgearbeitet wird, daß die Serienhelden sich an ihnen immer wieder beweisen, was sie nicht sind. Treffend charakterisiert sie die paradoxen Verhältnisse in der Föderation, die zwar die Freiheit von politischen und ökonomischen Zwängen für sich behauptet, deren Mitglieder sich dennoch bereitwillig strengsten Arbeits- und Militärregimes unterwerfen. Die Cyborgisierung der Föderationsmenschen deutet zur Nieden dabei unter anderem als eine Krise klassisch patriarchaler Männlichkeitskonzepte. An der Figur der Ex-Borg Seven of Nine zieht sie schließlich ihre These der »Barbiiesierung der Körper« in Star Trek auf, die auf der Annahme basiert, daß in den von ihr behandelten Serien Körper biologistisch über ihre Gene definiert werden. Dabei enthalten diese Gene scheinbar das Versprechen des perfektionierten Körpers – eine Körperbild, dem die Autorin deutlich ablehnend gegenübersteht.
Wer halbwegs Star-Trek-fest ist, dürfte zur Niedens Argumentation ohne weiteres folgen können – und dabei auch den einen oder anderen Detailfehler bemerken. Zuweilen werden da schon ein paar Handlungsstränge durcheinander gebracht, und bei der Schreibweise der Namen außerirdischer Spezies liegt die Autorin in rund fünf von zehn Fällen falsch. Für ihre Thesen fällt das zwar nicht weiter ins Gewicht, trotzdem hätte hier etwas genauere Recherche nicht geschadet. Auch ihre Kommentare über die Serie Deep Space Nine erscheinen ausgesprochen uninformiert – besser wäre es gewesen, wenn sie sich ganz auf ihre beiden offensichtlichen Lieblingsserien beschränkt hätte. Abgesehen davon kann man das Buch jedoch insbesondere Trekkies empfehlen, die Lust haben, ihre Helden einmal kritisch in Augenschein zu nehmen. Nur allzu empfindlich sollten sie nicht sein – denn das Buch lässt sich durchaus als vernichtende Kritik an Star Trek lesen. Dennoch macht die Autorin letztlich keinen Hehl daraus, daß ihr Interesse ein durch und durch fannisches ist.