Lars Normann – Rezension zur Jens Benicke, Von Adorno zu Mao

Lars Normann

Rezension zu Jens Benicke, Von Adorno zu Mao

Das auf eine Freiburger Dissertation zurückgehende Werk möchte die Rezeptionsentwicklung der Kritischen Theorie seitens der antiautoritären Fraktion, der Studentenbewegung in der “postnazistischen” (S. 10) Gesellschaft der Bundesrepublik hin zu den so genannten K-Gruppen untersuchen. Benickes Erkenntnisinteresse zielt darauf, zu überprüfen, ob diese strömungs-orientierten Gruppierungen in Theorie und Praxis einen “Beitrag zur Emanzipation der Menschheit” (S. 11) geleistet hätten. Die methodische Selbstverortung des Autors fußt dabei ohne Distanz zum Untersuchungsgegenstand auf die immanente Kritik der “Frankfurter Schule” und den Kritikintentionen Marx und Luxemburgs (S. 11). Selbst kritisiert und erklärt Benicke “die schlechte Aufhebung der antiautoritären Bewegung” dann aber nicht. In einem deskriptiven Schnelldurchlauf “Kritische Theorie” referiert der Autor über Rezeptionen weniger Elemente des “westlichen Marxismus”. Maßgeblich bezieht er sich auf die Führungsgruppe des SDS, die Zeitschrift Das Argument und verschiedene K-Gruppen, letztgenannten wird eine “simplifizierende Faschismusanalyse” (S. 169) attestiert. Benicke gibt im Fazit lediglich Hans-Jürgen Krahls und Peter Brückners Interpretationen zu den Zerfallsprozessen der anti-autoritären Protestbewegungen wieder. Einzelne Schwerpunkte im Mittelteil bilden nur singuläre und damit verkürzte Themenbereiche der Kritischen Theorie durch die hier sehr monoli­thisch dargestellten Protestbewegungen ab. Begründet wird weder die Auswahl der Theorieelemente, noch die der dargestellten Strömungen. Die Arbeit läuft damit auf eine Engführung es eigentlich auf Breite hin angelegten Themas hinaus. So deutet Benicke den Umschlag der Studentenbewegung charakteristischerweise nicht über das Organisationsreferat, sondern über die Kritik an einer “generalisierenden Imperialismustheorie” (S. 78). Das Buch ist im ça ira-Verlag in Freiburg erschienen, der getragen wird vom Institut für Sozialkritik (ISF e. V). Ihm angegliedert ist die Initiative Sozialistisches Forum (ISF). In einer Selbstdarstellung heißt es dialektisch, das ISF “ist ein Arbeitskreis unabhängiger Linkskommunisten, der sich an der kritischen Theorie orientiert und ein kategorisches Programm der Abschaffungen vertritt”. Gemäß eines Flugblatts des ISF/ISF e. V. sollen “die Bücher des ça ira-Verlages […] ein Beitrag sein, das Verhältnis von Wissen und Handeln unter den Bedingungen der postfaschistischen Kapitalvergesellschaftung als Verhältnis von Kritik und Krise darzustellen”. Auf der letzten Seite des Buches ist eine Werbung für die “antifaschistische” Zeitschrift Bahamas abgedruckt, die der Strömung der so genannten “Antideutschen” zugerechnet wird.

Aus:Das Historisch-Politische Buch, 58 Jg. 2010, Heft 4

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