NW * Stephan Grigat: Transformation des Postnazismus
NW
Grigat, Stephan (Hrsg.): Transformation des Postnazismus
Kapital und Staat seien die Voraussetzungen jeder Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung, lautet die These Grigats, der als Universitätslektor und Mitarbeiter der Wiener Zeitschrift “Context XXI” tätig ist. Deutschland wie Österreich attestiert er postfaschistische gesellschaftliche Strukturen und ein postnazistisches gesellschaftliches Bewußtsein – als Beleg dienen ihm nicht nur die Wahlerfolge rechter Populisten, sondern auch die Ernennung von Wolfgang Clement (SPD) zum “Superminister” für Arbeit und Wirtschaft. Außerdem unterstellt Grigat eine zwangsläufige Verknüpfung von Faschismus und Antisemitismus, wobei er die Ursprünge und Ausformungen des Faschismus in Italien einfach ignoriert. Nach dieser eher ärgerlichen Einleitung sollte man das Buch aber trotzdem nicht wieder zuklappen. Denn es folgt ein lesenswerter Beitrag von Agnoli (dem im Mai 2003 verstorbenen Politikwissenschaftler ist dieser Band gewidmet), in dem dieser die Beurteilungskriterien für den Faschismus zurechtrückt und überhaupt erst einmal den Kontext entwirft, in dem die Frage nach den Möglichkeiten postfaschistischer Formen in einer Demokratie (deren heutige Ausgestaltung er gleichfalls kritisiert) gestellt werden kann. Als wichtigstes Element des Faschismus und damit als Ausgangspunkt weiterer Überlegungen darüber, wie die Linke auf die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der Welt reagieren sollte, benennt Agnoli den Zusammenfall der höheren Interessen einer Nation mit dem Interesse an der Erhöhung der Produktivität. Damit stelle sich die Frage, welche politische Form das Kapital in einer globalisierten Welt brauche. Da der Staat die gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen für das Kapital garantiere, sei mit einem Niedergang des Nationalstaats nicht zu rechnen. Neben weiteren theoretischen Überlegungen zum Postfaschismus bildet der Rechtspopulismus in Österreich einen Schwerpunkt der Beiträge dieses Bandes, der auf einen Kongress zurückgeht. Dieser fand im April 2001 in Wien statt, Veranstalter waren die “Basisgruppe Politikwissenschaft” und der “Kritische Kreis”.
Aus: Zeitschrift für Politikwissenschaft N° 2 / 2004